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AnaCredit - Kosteneinsparungen durch Kreditmeldewesen verzeichnen

Potenziale der AnaCredit

In der Vergangenheit wurden Banken in Europa von den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden einzig unter Berücksichtigung des nationalen Aufsichtsrechts kontrolliert. Mit der Umsetzung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (engl. Single Supervisory Mechanism - SSM) im November 2014 wurde erstmals der Europäischen Zentralbank (EZB) die alleinige Verantwortung zur Kontrolle und Regulierung aller Banken in der Eurozone übertragen.

Die Erhebung von statistischen Daten zum Kreditbestand war bisher nur in wenigen europäischen Staaten mit unterschiedlichen Vorgaben geregelt. Als Folge konnten Meldungen zum Kreditbestand nur teilweise national erfasst und schwer bis gar nicht auf europäischer Ebene aggregiert werden. Mit der Einführung des Analytical Credit Datasets (AnaCredit) und der geplanten Einrichtung eines zentralen Kreditregisters (engl. Central Credit Register - CCR) wird eine Optimierung der Aufgaben zur Geldpolitik und der Finanzmarktstabilität auf europäischer Ebene angestrebt mit dem Ziel, Systemrisiken frühzeitig erkennen und gegensteuern zu können.

Was genau ist AnaCredit?

Mit Beschluss der EZB am 18. Mai 2016 wurde die Umsetzung von AnaCredit verordnet. Im Zuge von AnaCredit sollen Detaildaten von Kreditnehmern, Kreditgeschäften sowie deren Risikoeinschätzung an die nationalen Aufsichtsbehörden gemeldet werden.

Konkret besteht eine Meldepflicht, wenn

  • die Summe aller Außenstände eines Gläubigers bei einer Institution >= 25.000 € beträgt und
  • mindestens einer der Schuldner eine juristische Person ist und
  • das betreffende Finanzinstrument ein Kreditrisiko hervorruft (definiert durch EZB/2016/13).

Der Sitz des Schuldners ist hierbei irrelevant. Es zählt nur, dass der Kredit innerhalb der Eurozone aufgenommen wurde.

Hinweis an dieser Stelle:

Detaildaten zu juristischen Personen müssen gemeldet werden, zu natürlichen Personen muss nur deren Beteiligung anonym gemeldet werden.

Die Meldung soll hierbei insgesamt 95 Felder, davon 89 fachspezifische und sechs technische Identifikationsmerkmale, aus den folgenden Bereichen abdecken:

detaildaten

(Zu Details hierzu siehe auch das AnaCredit Reporting Manual)

Wen betrifft AnaCredit und was sind die Anforderungen?

Grundsätzlich gilt die Aussage, dass die AnaCredit-Meldungen von

  • allen Institutionen mit Sitz in der Eurozone
  • sowie Institutionen mit einer Niederlassung in der Eurozone

abzugeben sind.

Da die Umsetzung der AnaCredit-Anforderungen jedoch eine große Herausforderung für viele Institutionen bedeutet, gelten in Deutschland folgende reduzierte Anforderungen:

  • Für kleine Institute (aktuell 750 Banken, Definition deren Gesamtkreditvolumen < 2 % des nationalen AnaCredit Volumen) müssen für Bestandskredite nur 17 der 89 Felder, für Neukredite 26 der 89 Felder gemeldet werden.
  • Für alle Banken entfallen bei Bestandskrediten 17 Felder aus dem Bereich Kunde und Verträge, die bei Neuabschlüssen jedoch nachzupflegen sind.

Niederlassungen außerhalb der Eurozone müssen 13 Felder weniger liefern.

Herausforderungen bei der Umsetzung von AnaCredit

Der Zeitplan zur Einführung von AnaCredit

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Die erste Stufe von AnaCredit soll ab Anfang Oktober 2018 komplett produktiv sein. Ausgehend von den Herausforderungen, die die erste Stufe mit sich bringt, den noch vorhandenen reduzierten Anforderungen sowie einer „straffreien“ Einführungszeit wird sich die Realisierung der ersten Stufe jedoch nicht überall pünktlich abschließen lassen.

Für die Stufen 2 und 3 ist aktuell vor allem eine Ausweitung der Finanzinstrumente geplant.

Die Schaffung einer Daten- bzw. BI-Landschaft für AnaCredit

Die Einführung von AnaCredit bedeutet eine große Herausforderung für jede betroffene Institution, auch unter Berücksichtigung von eventuell verringerten Meldeanforderungen.

Herausforderungen für die Core-Banking-Systeme:

  • Erweiterung der Core-Banking-Systeme um die zusätzlich zu erfassenden AnaCredit-Felder

Herausforderungen für die BI-Landschaft:

  • Schaffung einer einheitlichen analytischen Plattform zur Versorgung des Meldewesens mit konsolidierten, qualitätsgeprüften, validierbaren Daten
  • Verarbeitung von großen Datenmengen
  • Konsolidierung von Daten aus verschiedenen Core-Banking-Systemen
  • Konsolidierung von Daten über Zweigstellen hinweg
  • Erkennung und Zusammenführung von Kundendaten respektive Kreditnehmereinheiten
  • Erweiterung der analytischen Systeme um zusätzliche AnaCredit-Felder
  • termingerechte Lieferung
  • klare Trennung nationaler Meldungen

Governance und Strategie:

  • klare Strategie für die Etablierung von BI und die zentrale Datenverwendung in der Institution
  • Etablierung/Stärkung einer Data-Governance-Organisation zur Sicherstellung einheitlicher Definitionen (Metadatamanagement) und der Datenqualität

Wie sieht eine mögliche Architektur aus?

Die Architektur für die Datenversorgung und Verarbeitung kann man grob in zwei mögliche Szenarien aufteilen.

Zentrales Szenario

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Alle Core-Banking-Systeme liefern in eine BI-Landschaft an; diese konsolidiert die Daten und stellt sie über eine Präsentationsschicht für die Extraktion in das Meldewesen zur Verfügung.

Vorteile:

  • Es handelt sich um das einfachste Modell für kleinere Institutionen bzw. stark zentral getriebene Institutionen.
  • Alle Informationen stehen einheitlich, vergleichbar und valide auf Basis der Präsentationsschicht auch für andere BI-Anwendungen zur Verfügung.
  • Eine Berücksichtigung von BCBS239 ist einfach möglich.

Nachteile:

  • Für große Institutionen vor allem mit vielen Tochtergesellschaften ist eine zentrale Konsolidierung eine große Herausforderung und schwierig realisierbar.
  • Data-Governance-Organisation und Datenstrategie müssen vor allem bei großen Organisationen sehr stark sein und großen Rückhalt im Management haben.

Dezentrales Szenario mit zentraler Konsolidierung

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Eine Finanzinstitution besteht aus mehreren Tochtergesellschaften oder Filialen, die wiederum eine eigene IT- und BI-Infrastruktur besitzen. Die Daten für das Meldewesen werden dort bereits konsolidiert und an den Mutterkonzern oder eine führende Gesellschaft zur Gesamtkonsolidierung und Meldung weitergeleitet.

Vorteile:

  • Das Szenario ist bei komplexen Konzernstrukturen häufig die einzig mögliche Variante.
  • Häufig wechselnde Beteiligungsverhältnisse lassen sich flexibel abbilden.

Nachteile:

  • Die führende Gesellschaft muss mit starker Hand und guter Kommunikation die Anbindbarkeit der Teil-BI-Architekturen sicherstellen.
  • Gesamtqualität und Meldezeitrahmen sind schwer zu gewährleisten.
  • Die Berücksichtigung von BCBS239 ist schwierig (Transparenz, Dokumentation), ein Verstoß gegen die entsprechenden Prinzipien ist wahrscheinlich.

Synergieeffekte durch effizientere Projektbewältigung

AnaCredit ist eine regulatorische Vorgabe aus mehreren Themen, die in den letzten Jahren zur Umsetzung adressiert wurden. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Themen miteinander in Verbindung stehen und sich Synergien ergeben, wenn eine entsprechende Umsetzung bereits stattfand. So sind regulatorisch direkt davon betroffen:

  • BCBS239
    BCBS239 ist bereits länger eine Aufgabe zur Umsetzung durch die Banken. Ist dieses Thema bereits vollständig umgesetzt, so ist davon auszugehen, dass die notwendigen Änderungen in der Datenstrategie sowie im Bereich Data Governance bereits erfolgt sind. Ein zentrales DWH und die notwendige Transparenz End-to-End sowie die Kontrolle von Änderungen mit Auswirkung auf die gesamte Prozesskette sind gewährleistet.
  • IFRS9
    Ebenfalls ein eigenständiges Thema, das vor allem bei der Risikobewertung von europaweit bzw. international agierenden Banken eine wichtige Rolle spielt und für diese eine Voraussetzung für AnaCredit ist.

Langfristiger Ausblick:

Da AnaCredit eine Konsolidierung im Meldewesen anstrebt, ist langfristig, wenn auch noch nicht beschlossen, von einer Konsolidierung ähnlicher Meldungen (z. B. Mio. Kredit) im deutschen Bankenbereich auszugehen.

Welche Chancen ergeben sich durch die Nutzung von AnaCredit?

Durch die strikte Einführung und nachhaltige Umsetzung von Data-Governance- und Data-Strategy-Maßnahmen im BI-Umfeld, aber auch in den zugehörigen IT-Systemen sowie den Prozessen der Fachbereiche ergeben sich aus den Herausforderungen auch Chancen.

Vielfach werden langfristig Kosten gespart durch

  • Vermeidung teurer Fehlentscheidungen auf Basis falscher, widersprüchlicher oder unvollständiger Auswertungen
  • eine transparentere, umfassendere Sicht auf den Kunden, z. B. durch eine Gesamtfinanzensicht des Kunden und somit effizientere Kreditvergabe
  • den Aufbau einer robusten Infrastruktur, die agile und flexible Anpassungen ermöglicht
Dein Ansprechpartner
Stefan Steinhaus
Principal Consultant
Für Data Quality Management, Data Strategy und Data Governance ist Stefan genau der richtige Ansprechpartner. Seiner Meinung nach werden in den nächsten Jahren regulatorische Vorgaben strenger und detailreicher.